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Glanzpunkt: zeitlich längste Bergtour

Wirklich eine ziemlich "harte" Tour für mich. Kurz zusammengefasst: Hoch, lang, objektiv gefährlich, ziemlicher Zeitdruck und nicht optimales Wetter. Die Landschaft aber ist sehr sehr beeindruckend. Schon der Anmarsch am Vortag hat mit seiner stetigen Ungewissheit über die Wegführung und den Zustand der Dome-Hütte ein ziemlich hohes "Nerv-Potential" erzeugt. Gottseidank hat der Wetterbericht viele andere Bergsteiger abgehalten. Es ist wenig los. Keiner hat übrigens das gleiche Ziel wie mir. Wir werden alleine sein.
Die Nacht ist kurz, sehr kurz. Schlaf = Null. Um Mitternacht aufstehen, kurz frühstücken, zusammenpacken und raus in die Kälte. Schon nach wenigen Minuten Warmlaufen gehts rüber aufs Eis. Anseilen, Steigeisen dran und Pickel griffbereit. Es ist kühl und windig. Der Mond wirft ausreichend Licht herab, um die überall versteckten Spalten zu sehen. Es gibt gottseidank eine gute Spur von gestern. So kommen wir zügig voran. Es liegt noch überraschend viel Schnee, so dass kein Blankeis zu erwarten ist. Dafür aber heißt es zu stapfen, stapfen, stapfen. Erst links halten und dann weit nach rechts über eine muldenartige Rampe auf einen Felsvorsprung zu. Eine weitere Spur geht nach links hinauf zum Col des Aguilles Grises. Langsam wird das Gelände vor uns steiler, aber weniger spaltenreich. Die Spur zieht vor dem Felsvorsprung nach links in einen kesselartigen Steilhang. Es geht direkt 250m hm bis auf den Firngrat hinauf. Kerzengerade und steil, sehr steil. Der Mond wird immer mehr von Wolken verdeckt. Aber oben am Kesselrand wird es schon heller. Wir brauchen keine Taschenlampen mehr. Stapfen, Pickel, Stapfen Pickel. Sichern ist nicht nötig. Der Schnee ist griffig, die Steigeisen beissen. Die Spalten sind relativ schmal oder gut zu sehen. Aber irgendwie ist es doch ganz schön ausgesetzt und luftig. Und diese Luft scheint sich immer mehr zu bewegen. Die vielen Wolken um uns herum haben ein ganz schönes Tempo drauf. Ich freue mich schon auf den Grat. Eindrucksvoll. Die Hütte ist ganz weit unten zu sehen, und deren Licht ist wieder ausgegangen. Schnaufend erreiche ich nach ca. 3 Stunden die Gratsenke östlich des Piton des Italiens und damit die 4000-er Grenze. Hui, da ziehts aber mächtig. Genauso mächtig ist auch der freie Ausblick hinaus nach Frankreich. Einfach überwältigend. Und der Weiterweg ist zu sehen. WeiterwegEs scheint alles noch unendlich weit weg zu sein. Es wird ab jetzt bis zum Gipfel und zurück ein richtiger "Gang für Götter". Mal flach, mal steil, mal links, mal rechts der aus massivem Schnee bestehenden Gratkante. Wechten gibts keine. Mal gibts eine prächtige Aussicht, mal steckt man drin in einer rasenden Wolke. Der Sturm ist das einzig konstante. Er kommt im Aufstieg wenigstens von hinten und unten, er schiebt also etwas. Weiter oben verliert er etwas an Kraft. Ob das an der dünneren Luft liegt? Eine gute Stunde später dann steht eine Entscheidung an. Eigentlich. Denn Sepp geht geradeaus den Schneehang an, und läßt die flachere Spur direkt zum Col du Dome einfach rechts liegen. Der Dome du Gouter ist immerhin ein ausgewachsener 4000-er und lohnt die paar Körner mehr durchaus. Im Abstieg hätte ich das aber so nicht mehr gesagt. Und die kleine Rast tut uns ganz gut. Auch wenns mächtig zieht. Den breiten Hang hinunter zum Col du Dome merken wir, dass der Wind nun von rechts angreift, was wesentlich unangenehmer ist. Jeder von uns drei erträgt das stumm und leise. Wir sind gut in Form und haben bis jetzt keinerlei Probleme. Und bald treffen wir auf die Autobahnspuren der Montblanc-Hauptroute. Hier sind schon mehr Leute unterwegs. Einige sind schneller als wir, die meisten aber wesentlich langsamer. Die Spuren sind ziemlich ausgetreten, und man kann schön Kraft sparen. Auf einen Besuch der Vallot-Hütte verzichten wir. Das eisige Gelände steilt sich jetzt wieder merklich auf. Für einen Montblanc-Neuling mag der doch recht schmale Bosses-Grat und die Tournette-Felsen in dieser Höhe ziemlich abschreckend wirken. Und so mancher ist hier schon umgekehrt. Wir waren aber alle schon mal hier heroben. Trotz der jetzt dichten Wolken und des sehr starken Sturms von rechts gehen oder schleichen wir also weiter. Es zieht sich. Wir erreichen nach ca. 7 Stunden den flachen Gipfel des Montblanc.Montblanc Sicht = Null, Sturm = 100%. Das war's für diesmal. Wir fühlen uns konditionell und psychisch sehr gut, ohne zu ahnen was uns noch bevor stehen sollte. Aber eine Pause gönnen wir uns trotzdem. Es fängt dabei tatsächlich zu schneien an. Nicht senkrecht, sondern waagerecht.
Nun ja, den ersten Abschnitt über den schmalen Grat hinab zur Vallot-Hütte hilft uns noch die Trampelspur der vielen Bergsteiger. An der grausligen Blech-Hütte ist dann eine erste Entscheidung fällig. Warten wir das Abflachen des Sturms hier ab, und versuchen dann Schutz in der relativ nahen Gouterhütte zu finden. Oder kämpfen wir uns sofort und schnellstmöglich hinab zu unserem Ausgangspunkt. Dabei werden wir mit Sicherheit aber alleine unterwegs sein. Es siegt ganz schnell das Prinzip: Rücksturz zur Erde. Ebenso schnell zeigt uns die Natur aber ihre Gewalt. Mit Verlassen der großen Pfadspur am Col du Dome ist alles nur noch weiss um uns herum. Unsere Aufstiegsspuren sind längst verweht. Mit viel Gefühl tasten wir uns auf dem jetzt voll dem Sturm ausgesetzten Grat sehr langsam bergab. Was wäre das im hellen Sonnenlicht für eine Himmelsleiter. Ich bin froh mit solch ausgezeichneten Bergführern unterwegs zu sein. Nur mit Hilfe des Höhenmessers können wir den Einstieg in den Steilhang finden. Der Sturm läßt nur ein klein wenig nach. Die Sicht ist gleich Null. Kein Nebel, sondern eine massive Wolke ist das. Gewittergefahr scheint es aber nicht zu geben. Der Schnee auf der Südseite ist hüfttief aufgeweicht. Wir brauchen erst einmal eine Pause. Ansonsten ist hier alles nur mit grandios und super beeindruckend zu bezeichnen. Dieser Abstieg wurde ja erstmals von einem späteren Papst unternommen. Zusammen mit einigen Schneerutschen schleichen wir den sausteilen Hang hinab. Und dann wird's richtig ungemütlich. Ein quasi Whiteout, Nullsicht, tiefster Pappschnee, keine Spur von einer Spur, überall größere und kleinere Gletscherspalten längs und quer. Deshalb müßen wir öfters wieder eine Strecke zurückgehen, um es woanders zu versuchen. Dieser Dome-Gletscher hat wirklich alle Gemeinheiten drauf. Und das Wetter setzt immer noch einen drauf. Plötzlich ist der Sturm weg und es beginnt kräftig zu duschen. Gottseidank haben wir viel Zeit an einem der längsten Tage des Jahres. Nur mit Hilfe des mehrfach justierten Höhenmessers können wir endlich den Übergang zu den schuttigen Hängen und dem kleinen Steiglein finden. Wir laufen, oder besser schleichen in voller Ausrüstung gleich weiter zur nahen Dome-Hütte. Es ist gerade Zeit zum kargen "Selbstversorger - Abendessen" um 18.00 Uhr. Der Abstieg hat insgesamt länger gedauert als der Aufstieg. Und wir sind rechtschaffen müde. Schlafen geht trotzdem nicht besonders gut. Das Adrenalin wirkt noch lange. Und man hat auch viel aufzuräumen, zu trocknen, zu reparieren, und zusammen zu packen. Schon morgen geht's dann über den holprig-rauen Miage-Gletscher bei Scheiß-Wetter hinab zum Auto.